5.7.11

Organspende - Expertenzuspruch für Entscheidungslösung

"... Um die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen, halten zahlreiche Experten eine Änderung des Transplantationsgesetzes (TPG) für erforderlich. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zu den rechtlichen und ethischen Aspekten von Organspenden sprachen sich unter anderen der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums, Eckhard Nagel, und der der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, für eine so genannte Entscheidungslösung aus. Diese sieht vor, jeden Bürger zu seiner Bereitschaft für oder gegen die Organspende zu befragen und diese Entscheidung auf dem Personalausweis, dem Führerschein, der Krankenversicherungskarte oder einem anderen Dokument festzuhalten. Im Todesfall eines Patienten müssten heute schon die Angehörigen befragt werden, ob dieser als Organspender infrage kommt, sagte Nagel. Die Angehörigen könnten sich nicht vor einer Entscheidung drücken. Der Professor fügte hinzu, es sei deshalb folgerichtig, dass jeder zu Lebzeiten selbst mit einer solchen Entscheidung konfrontiert wird.

Huber sagte, es gebe eine ”ethische Entscheidungspflicht“ jedes Einzelnen. Diese könne von der Gesellschaft auch eingefordert werden. Gleichwohl dürfe niemand zu einer Organspende gezwungen werden. ”Wir reden über Organspende und nicht über eine Organspendepflicht“, betonte der Bischof. Auch der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Edzard Schmidt-Jortzig, hob hervor, eine Entscheidungslösung könne nur dann verfassungsgemäß sein, wenn an die Entscheidungspflicht keine juristischen Konsequenzen geknüpft würden.

Für eine ebenfalls diskutierte Widerspruchslösung, bei der jeder automatisch Organspender ist, der dies zu Lebzeiten nicht ausdrücklich verneint hat, sprach sich dagegen der Direktor der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie der Charité-Universitätsmedizin in Berlin, Peter Neuhaus, aus. Beispiele anderer europäischer Länder zeigten, dass mit der Einführung einer Widerspruchslösung erheblich mehr Organe zur Transplantation gewonnen werden könnten. Der Professor plädierte dafür, die Organentnahme für zulässig zu erklären, ”wenn die Angehörigen ihr nicht widersprochen haben“. Schmidt-Jortzig hingegen machte deutlich, dass eine Widerspruchslösung ”nicht verfassungsgemäß wäre“. Verletzt sehe er insbesondere das Selbstbestimmungsrecht.

Zurzeit gilt in Deutschland eine erweiterte Zustimmungslösung. Danach dürfen einem Menschen nur dann Organe entnommen werden, wenn er seine Zustimmung selbst vor seinem Tod in einem Organspendeausweis festgehalten hat oder seine Angehörigen einer Organentnahme nach seinem Tod zustimmen. Nach Angaben der DSO warten derzeit rund 12.000 schwer erkrankte Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, allein 8.000 auf eine Niere. Drei von ihnen sterben laut DSO aber pro Tag, weil es nicht ausreichend Organspender gibt. Deutschland liegt bei der Quote der Organspender im EU-Vergleich auf den hinteren Rängen.

Die Gastprofessorin am Institut für Soziologie der Technischen Universität Darmstadt, Alexandra Manzei, erinnerte in der Anhörung daran, dass im Vorfeld der Transplantationsgesetzgebung von 1997 höchst umstritten gewesen sei, wann der Tod eintritt und mit welchen Mitteln er sich feststellen lässt. Angesichts neuer medizinischer Studien stehe das der Zustimmungslösung zugrunde liegende Hirntodkonzept erneut in Frage. Daher solle die Bundesärztekammer (BÄK) die Kriterien der Hirntodfeststellung überprüfen. Sowohl der Münchner Hirntod-Experte Heinz Angstwurm als auch der BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery widersprachen deutlich: Angstwurm betonte, es gebe keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Montgomery fügte hinzu: ”Es ist unendlich schwer, etwas zu beweisen, was es nicht gibt.“ ..."

Quelle: hib-Meldung vom 29.06.2011

4.7.11

Präimplantationsdiagnostik - Zwei PID-Gesetzentwürfe geändert

"... Der Gesundheitsausschuss hat Änderungen an zwei Gesetzentwürfen zur Präimplantationsdiagnostik (PID) beschlossen. Eine Empfehlung für einen der drei von fraktionsübergreifenden Parlamentariergruppen vorgelegten Entwürfe gab der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwoch hingegen nicht. Der Bundestag will in der kommenden Woche abschließend über den künftigen Umgang mit den umstrittenen Gentests an künstlich erzeugten Embryonen entscheiden.

Bislang zeichnet sich keine Mehrheit für einen der Entwürfe ab. Von den 621 Abgeordneten haben sich 178 noch nicht per Unterschrift einer der Vorlagen angeschlossen. Bei der PID werden Embryonen, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf etwaige Krankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet. Die Diskussion über eine Neuregelung war nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Leipzig vor einem Jahr in Gang gekommen, derzufolge die PID nach dem 1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz nicht grundsätzlich untersagt ist.

Einen Gesetzentwurf (17/5451), mit dem die PID eingeschränkt erlaubt werden soll, haben mit 215 die meisten Abgeordneten unterzeichnet. Zu den Initiatoren zählen Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU). Sie plädieren dafür, die PID nach dem positiven Votum einer Ethikkommission an zugelassenen Zentren nur solchen Paaren zu ermöglichen, die die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder bei denen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Der Gesetzentwurf wurde auf Antrag der Gruppe unter anderem dahingehend geändert, dass die Bundesregierung ”durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates“ Anzahl und Zulassungsvoraussetzungen der PID-Zentren regelt. In der Rechtsverordnung sollen den Angaben zufolge ferner die Details ”zur Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik“ bestimmt werden.

192 Abgeordnete um die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Birgitt Bender, und Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) sprechen sich in ihrem Gesetzentwurf (17/5440) für ein striktes Verbot der PID aus. Dieser Entwurf blieb im Ausschuss unverändert.

Eine weitere Abgeordnetengruppe um Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne) wollen das Verfahren ”grundsätzlich“ verbieten, in Ausnahmefällen aber ”für nicht rechtswidrig“ erklären. Die Fälle, in denen das gelten soll, wurden auf Antrag der Gruppe vom Ausschuss präzisiert. Möglich soll demnach eine PID nur dann sein, wenn die erbliche Vorbelastung der Eltern ”mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Schädigung des Embryos erwarten lässt, ”die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Tot- oder Fehlgeburt führt“. Die bislang zweite Verbotsausnahme – wenn das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit im ersten Lebensjahr stirbt – wurde aus dem Gesetzentwurf (17/5452) gestrichen. Die Expertenanhörung im Parlament habe ergeben, dass ”sich das Kriterium des ersten Lebensjahres im Sinne einer exakten Frist nicht hinreichend medizinisch begründen lässt“, erläuterte die Röspel-/Hinz-Gruppe. Diesem Gesetzentwurf haben sich 36 Abgeordnete per Unterschrift angeschlossen. ..."

Quelle: hib-Meldung vom 29.06.2011